Start Inhalt Seitenbeispiele Hinweise Altes Schulhaus In memoriam Otto Altendorfer + Impressum/Datenschutz Ottering - Ein Dorf in Niederbayern    Das Buch über Ottering im Landkreis Dingolfing-Landau
So sah es im Klassenzimmer des alten Schulhauses aus: Foto aus dem Jahr 1952 mit Lehrer Otto Altendorfer
Otto Altendorfer: Bericht zum Ende des historischen Dorfensembles Altes Schulhaus wurde abgebrochen Die Mitglieder des Gemeinderates der Gemeinde Moosthenning sprachen sich im Jahre 2005 einstimmig dafür aus, dass das alte Otteringer Schulhaus, erbaut im Jahre 1872, zuletzt benutzt als Landjugendheim, abgebrochen werden soll. Mit diesem Beschluss wurde das Urteil gesprochen über das letzte „zivile“ Gebäude eines historischen, zentral in der Mitte des Dorfes postierten Dorfensembles aus Kirche, Pfarrhof, Pfarrökonomie und Schule, das vor gut 150 Jahren von den Otteringer Bürgern in einer bemerkenswerten Gemeinschaftsleistung errichtet wurde. Bis zum Jahr 1862 bestand in Ottering an gleicher Stelle wie heute ein baufälliges Gotteshaus, das, wie der zu dieser Zeit residierende Pfarrer Johann Dachauer schrieb, "bis zur Weißdecke 24 Fuß hoch, 33 Fuß breit und 87 Fuß lang ist". Nach dem damaligen Längenmaß hatte die Kirche also eine Höhe von rund 7, eine Breite von 10 und eine Länge von 26 Metern. Die Otteringer wollten jedoch die Bedeutung der mehrere Dörfer umfassenden Pfarrei auch in einem weitaus größeren Kirchenbau zum Ausdruck bringen. Innerhalb von nur 2 Jahren entstand deshalb unter großer Opferbereitschaft der Bevölkerung die heutige Kirche, geweiht dem hl. Johannes Evangelist. Ein Gotteshaus, schon von weitem zu sehen, mit einem wuchtigen Turm, breit und behäbig auf einer Anhöhe, in seiner Größe und Pracht über dem Dorf „thronend“. Wäre die Errichtung eines solchen Kirchenbaues in einem kleinen, damals recht abgelegenen Dorf allein schon Anlass genug, die Schaffenskraft der Bürger zu loben, so stand der Kirchenbau damals doch nur in der Mitte einer noch größeren Umgestaltung: Rund 20 Jahre vorher wurden nämlich in Ottering schon äußerst großzügig das Pfarrhaus, die zum Pfarrhof gehörenden Ökonomiegebäude (Kuhstall, Schafstall und Hühnerstall) mit geschätzten Baukosten von 6.446 Gulden neu errichtet, der Pfarrstadel wurde renoviert. Laut einem Bericht des Regierungspräsidenten von Niederbayern aus dem Jahre 1984 bildeten diese Gebäude im Zusammenhang mit der Pfarrkirche einen „Baukomplex von besonderer ortsgeschichtlicher Bedeutung für Ottering". Der dritte und zuletzt errichtete Bestandteil in dem Ensemble war das alte Schulhaus, dessen Ende jetzt gekommen war. In Bayern wurde 1856 die allgemeine Schulpflicht auf 7 Jahre ausgedehnt. Sicher handhabte man zunächst auch in Ottering die Schulpflicht nicht so streng, denn Kinder wurden damals nach allgemeiner Ansicht zunächst für die Arbeit in Stall und Feld gebraucht, die schulische Ausbildung nahm noch keinen so wichtigen Stellenwert ein, wie heute. In einer Spendenliste aus dem Jahre 1856, erstellt zum Gatteringer Kirchenbau, signierten beispielsweise gleich mehrere Bauern mit "Handzeichen", also mit einem Kreuzchen, d.h. sie konnten weder lesen noch ihren Namen schreiben. Mit zunehmender Bedeutung der Schulpflicht wurde das bestehende Schulhaus in Ottering, erbaut 1804, aber doch zu klein und im Jahre 1872 durch die "neue Schule" ersetzt. Auch hier ging man mit einem für die damalige Zeit sehr fortschrittlichen Weitblick zu Werke und scheute keine Kosten. Das Haus enthielt: 2 große Schulsäle, eine Lehrerwohnung und ein Hilfslehrerzimmer, einen Viehstall für das Vieh des Lehrers, der auch noch Landwirt war, sowie eine Gemeindekanzlei. Der Bau des in soliden Gebäudes mit seinen wuchtigen Mauern kostete rund fünfeinhalb tausend Gulden. Zum Vergleich: Der 1. Knecht des Bauern verdiente damals pro Jahr etwa 30 Gulden, die 1. Dirn etwa 10 Gulden, eine Gans kostete 1 Gulden, ein Kalb 7 Gulden. Der Bau des Schulhauses fiel vielleicht auch deshalb so großzügig aus, weil man es dem Bezirksamt "zeigen" wollte, oder, wie man in Bayern sagt: "Wer ko, der ko"! Das Bezirksamt hatte nämlich am 30. Juli 1870 eine amtliche Mitteilung folgenden Inhalts nach Ottering geschickt, welches die Bürger offenbar sehr erzürnte. In dem Schreiben hieß es: "Der Schulsprengelverwaltung ist zu eröffnen, dass ihr bei dem offenbar mangelnden Sinn, Verständnis und guten Willen für Schulinteressen wenig Hoffnung auf Zuschüsse aus dem Kreisfonds besteht". Mitglieder der Schulsprengelverwaltung waren damals: Georg Moosburger, Michl Wiesbeck, Sebastian Niebauer, 1880 dann: Reithmeier, Sigl, Nißlbeck, Hien, Englbrecht. Die rustikale innere Ausstattung der Schule erhielt sich im Grunde noch bis 1960: In den Klassenzimmern standen noch die ursprünglich vom Schreiner angefertigten Schulbänke, in welchen je nach Bedarf 4, 6 oder noch mehr Schüler Platz hatten. So konnte man den wechselnden Platzbedarf, aufgeteilt in zwei Klassen, leicht regeln. Vorne war die Schultafel auf einem Dreieckgestell. Wenn man fest mit der Kreide beim Tafelschreiben andrückte, fiel diese prompt um, sehr zur Freude der ganzen Klasse! Zentraler Punkt war, etwas erhöht, der Katheder, von dem man annehmen hätte können, dass ihn einstens die Römer bei ihrem Abzug dagelassen haben. Wer im Winter nahe am eisernen Ofen saß, schwitzte beständig. Dabei war das Nachheizen eine ehrenvolle Aufgabe für ausgewählte Schüler, es wurde dabei viel Geräusch verursacht und im Zeitlupentempo gearbeitet, eine erfreuliche Zwangspause. Im Hauseingang war noch nach dem Krieg ein Gestell, wo die Holzschuhe im Winter abgelagert wurden, im Sommer kamen die Schüler sowieso barfuss zur Schule. Innerhalb von nur 40 Jahren errichtete die Ortsgemeinde Ottering so inmitten des Dorfes unter bewundernswertem Opfermut mit dem Neubau von Kirche, Pfarrhaus, Pfarrwirtschaftsgebäuden und Schulhaus ein Ensemble, das dem Dorf rund 150 Jahre sein Gepräge gab, mit einer Großzügigkeit und Einmaligkeit, wie man es selten in kleineren niederbayerischen Dörfern sehen kann. Es verging über ein Jahrhundert, bis eine neue Zeit über Ottering kam und sich vermeintlich modernere Gesinnungen durchsetzten: Während man in anderen Dörfern schon wieder tatkräftig an das Bewahren des ererbten Kulturgutes dachte, wurde in Ottering in den 80er Jahren, angetrieben von wenigen ebenso kurzsichtigen wie geistesarmen Wortführern, als erstes der denkmalgeschützte Pfarrhof mit seinen Nebengebäuden dem Erdboden gleichgemacht, er musste, wie damals sogar der Bayer. Rundfunk mit großem Erstaunen berichtete „Parkplätzen weichen". Seitdem klafft in der Mitte des Dorfes gleichsam ein Loch, wo sich früher das Zentrum des Gemeinwesens befand. Jetzt folgte dem auch das alte Schulhaus nach. Jedes Haus birgt vielerlei Erinnerungen, umso mehr ein Schulhaus, in dem nahezu 100 Otteringer Geburtsjährgänge ihre Bildung genossen haben. Naturgemäß werden im Rückblick unangenehme Erlebnisse, die es sicherlich in der Schule gab, verdrängt, die früheren Schüler, heute alles selbst schon ältere Leute, berichten heute mit Freude von ihrer Schulzeit. Freilich stehen dabei oft mehr die Dinge am Rande des Schulbetriebes im Mittelpunkt, z.B. die Erinnerung an den vom Schulbetrieb nicht wegzudenkenden "Tatzenstecken“, der nahezu täglich im Einsalz war oder an die besonders schönen Schulstunden, wenn der Lehrer zur Beerdigung oder Hochzeit in die Kirche wegmusste. Je nach Lust und Laune der Lehrkraft fiel die mehr oder minder lange Pause aus: "Um 10 Uhr haben wir eine Viertelstunde Pause, da dürfen wir immer eine halbe Stunde herumlaufen", hieß es damals aus Kindermund. Brave Buben hatten vor dem ersten Weltkrieg in Ottering noch das besondere und hochwillkommene Vorrecht, das Mittagläuten in der Kirche zu erledigen, denn der Lehrer war damals auch noch Mesner. Die Schüler hüteten sich, zuhause zu erzählen, wenn es in der Schule eine Watsche gehagelt oder gar Arschprügel gegeben hatte, denn dann konnte es passieren, dass der Vater sagte, der Lehrer hat Recht und er gleich noch eine draufsetzte. Erinnert werden soll auch an die Personen, die in diesem Schulhaus lehrend und erziehend tätig waren, also die Lehrer und Lehrerinnen und ebenso die Pfarrer in ihrer damals noch besonders wichtigen Eigenschaft als Religionslehrer. Als Pfarrer wirkten in diesem Schulhaus: Pfarrer Jakob Pirner bis 1878, Pfarrer Wilhelm Steindl bis 1887, Pfarrer Josef Hegelein bis 1899, Pfarrer Michael Lohrer bis 1912, Pfarrer Ludwig Käufl bis 1918, Pfarrer Alois Maria Obermeier bis 1928, Pfarrer Johann Baptist Brandl bis 1930, Pfarrer Mathias Schindlbeck bis 1949, Pfarrer Otto Rauscher bis 1950, zuletzt noch Bischöflich- Geistlicher Rat Pfarrer Michael Fischer. Folgende Lehrkräfte (soweit bekannt) waren in dem Schulhaus tätig: Lehrer Denk, Haberkorn, Josef Fischer, Höpfl, Hilmer, Lehrerin Maria Lettl, Mathilde Köllnberger, Centa Eglhuber, Lehrer Josef Eggersdorfer, Max Winschiegl, Hauptlehrerin Therese Petschko-Hupfauer. Während und nach dem Krieg: Lehrer Steinmeier, Frau Straßburger, Lehrer Max Götz (hernach Rektor in Reisbach), Lehrerin Gisela Krämling, Hauptlehrer Anton Krämling, Lehrerin Emma Reil, Gabriele Sturm, Herta Brozek, Rosa Zellner, Georg Behnke, Otto Altendorfer und verschiedene Junglehrer. Hier sind zwei Namen besonders hervorzuheben: Der Oberlehrer Josef Grätzer, geb. 1844, gest. 1921. Er war nebenbei Mesner, Organist, Gründer der Otteringer Feuerwehr, Feuerwehrkommandant, Kreisbrandmeister und Initiator zur Errichtung des Kriegerdenkmales im Jahre 1921, sowie der Lehrer Anton Pritzl geb. 1823, gest. 1879. Dieser hat sich in besonderer Weise um die Ortsgemeinde verdient gemacht. Daher wurde bei seinem Ableben von den Bürgern an der Pfarrkirche ein Gedenkstein angebracht. Bei der Außenrenovierung der Pfarrkirche 1990 wurde auch dieses Denkmal von Verantwortlichen rücksichtslos zerstört. Zwischenzeitlich ist, wie von den Gemeinderäten gewünscht, das alte Otteringer Schulhaus verschwunden, weil man in Ottering partout keine Verwendung mehr dafür sehen wollte, im Gegensatz übrigens zu sämtlichen anderen alten Schulhäusern der Großgemeinde Moosthenning, die man zumindest erhalten und anderweitig verwenden konnte. Zentral im Ortsbild klafft nun ein weiteres Loch, aber den Gemeinderäten und einigen - nicht allen!- Otteringern scheint es zu gefallen. Wie baufällig das angeblich marode Gebäude wirklich war, stellte sich dann beim Abbruch heraus, als man große Schwierigkeiten hatte, das bestens erhaltene und trockene, dicke Gemäuer mit dem massiven Dachstuhl zu beseitigen. Ein Otteringer, ausgewiesener Baufachmann, konnte dann auch während der laufenden Arbeiten nicht umhin, zu bestätigen, dass man in dem Dorf wohl suchen müsse, um ein Gebäude mit einer solchen guten Bausubstanz zu finden. Es kann getrost angenommen werden, dass das alte Schulhaus in Ottering noch gestanden hätte, wenn sämtliche neumodischen und gesichtslosen Gebäude der heutigen Zeit schon längst wieder abgerissen sind. Zumindest zwei Sachen sind sicher: Zum einen dürfte nach dem zweimaligem Abbruch historischer Gebäude zugunsten von Abstellplätzen das anscheinend sehr drängende Parkplatzproblem im kleinen Dorfe Ottering nunmehr auf Jahrhunderte hinaus gedeckt sein. Zum anderen gibt es nun in Ottering keine gleichwertigen historischen Gebäude mehr, so dass in Zukunft auch nichts mehr abgerissen werden kann. Ein besonderer Anachronismus ist übrigens, dies zum Schluss, dass das Landjugendheim, bisher untergebracht in dem alten Schulgebäude, jetzt in den Keller (!) des früheren Raiffeisenlagerhauses, ein gesichtsloser Beton- und Plattenbau aus den siebziger Jahren, verlegt worden ist. Allein der hierfür erforderliche finanzielle Aufwand überstieg die notwendigen Kosten für eine Sanierung des alten Schulhauses deutlich.
Zum Abbruch des alten Schulhauses: