Otto Altendorfer:
Bericht zum Ende des historischen Dorfensembles
Altes Schulhaus wurde abgebrochen
Die
Mitglieder
des
Gemeinderates
der
Gemeinde
Moosthenning
sprachen
sich
im
Jahre
2005
einstimmig
dafür
aus,
dass
das
alte
Otteringer
Schulhaus,
erbaut
im
Jahre
1872,
zuletzt
benutzt
als
Landjugendheim,
abgebrochen
werden
soll.
Mit
diesem
Beschluss
wurde
das
Urteil
gesprochen
über
das
letzte
„zivile“
Gebäude
eines
historischen,
zentral
in
der
Mitte
des
Dorfes
postierten
Dorfensembles
aus
Kirche,
Pfarrhof,
Pfarrökonomie
und
Schule,
das
vor
gut
150
Jahren
von
den
Otteringer
Bürgern
in
einer
bemerkenswerten
Gemeinschaftsleistung
errichtet
wurde.
Bis
zum
Jahr
1862
bestand
in
Ottering
an
gleicher
Stelle
wie
heute
ein
baufälliges
Gotteshaus,
das,
wie
der
zu
dieser
Zeit
residierende
Pfarrer
Johann
Dachauer
schrieb,
"bis
zur
Weißdecke
24
Fuß
hoch,
33
Fuß
breit
und
87
Fuß
lang
ist".
Nach
dem
damaligen
Längenmaß
hatte
die
Kirche
also
eine
Höhe
von
rund
7,
eine
Breite
von
10
und
eine
Länge
von
26
Metern.
Die
Otteringer
wollten
jedoch
die
Bedeutung
der
mehrere
Dörfer
umfassenden
Pfarrei
auch
in
einem
weitaus
größeren
Kirchenbau
zum
Ausdruck
bringen.
Innerhalb
von
nur
2
Jahren
entstand
deshalb
unter
großer
Opferbereitschaft
der
Bevölkerung
die
heutige
Kirche,
geweiht
dem
hl.
Johannes
Evangelist.
Ein
Gotteshaus,
schon
von
weitem
zu
sehen,
mit
einem
wuchtigen
Turm,
breit
und
behäbig auf einer Anhöhe, in seiner Größe und Pracht über dem Dorf „thronend“.
Wäre
die
Errichtung
eines
solchen
Kirchenbaues
in
einem
kleinen,
damals
recht
abgelegenen
Dorf
allein
schon
Anlass
genug,
die
Schaffenskraft
der
Bürger
zu
loben,
so
stand
der
Kirchenbau
damals
doch
nur
in
der
Mitte
einer
noch
größeren
Umgestaltung:
Rund
20
Jahre
vorher
wurden
nämlich
in
Ottering
schon
äußerst
großzügig
das
Pfarrhaus,
die
zum
Pfarrhof
gehörenden
Ökonomiegebäude
(Kuhstall,
Schafstall
und
Hühnerstall)
mit
geschätzten
Baukosten
von
6.446
Gulden
neu
errichtet,
der
Pfarrstadel
wurde
renoviert.
Laut
einem
Bericht
des
Regierungspräsidenten
von
Niederbayern
aus
dem
Jahre
1984
bildeten
diese
Gebäude
im
Zusammenhang
mit
der
Pfarrkirche
einen
„Baukomplex
von
besonderer
ortsgeschichtlicher
Bedeutung für Ottering".
Der
dritte
und
zuletzt
errichtete
Bestandteil
in
dem
Ensemble
war
das
alte
Schulhaus,
dessen
Ende
jetzt
gekommen
war.
In
Bayern
wurde
1856
die
allgemeine
Schulpflicht
auf
7
Jahre
ausgedehnt.
Sicher
handhabte
man
zunächst
auch
in
Ottering
die
Schulpflicht
nicht
so
streng,
denn
Kinder
wurden
damals
nach
allgemeiner
Ansicht
zunächst
für
die
Arbeit
in
Stall
und
Feld
gebraucht,
die
schulische
Ausbildung
nahm
noch
keinen
so
wichtigen
Stellenwert
ein,
wie
heute.
In
einer
Spendenliste
aus
dem
Jahre
1856,
erstellt
zum
Gatteringer
Kirchenbau,
signierten
beispielsweise
gleich
mehrere
Bauern
mit
"Handzeichen",
also
mit
einem
Kreuzchen,
d.h.
sie
konnten
weder
lesen
noch
ihren
Namen
schreiben.
Mit
zunehmender
Bedeutung
der
Schulpflicht
wurde
das
bestehende
Schulhaus
in
Ottering,
erbaut
1804,
aber
doch
zu
klein
und
im
Jahre
1872
durch
die
"neue
Schule"
ersetzt.
Auch
hier
ging
man
mit
einem
für
die
damalige
Zeit
sehr
fortschrittlichen
Weitblick
zu
Werke
und
scheute
keine
Kosten.
Das
Haus
enthielt:
2
große
Schulsäle,
eine
Lehrerwohnung
und
ein
Hilfslehrerzimmer,
einen
Viehstall
für
das
Vieh
des
Lehrers, der auch noch Landwirt war, sowie eine Gemeindekanzlei.
Der
Bau
des
in
soliden
Gebäudes
mit
seinen
wuchtigen
Mauern
kostete
rund
fünfeinhalb
tausend
Gulden.
Zum
Vergleich:
Der
1.
Knecht
des
Bauern
verdiente
damals
pro
Jahr
etwa
30
Gulden, die 1. Dirn etwa 10 Gulden, eine Gans kostete 1 Gulden, ein Kalb 7 Gulden.
Der
Bau
des
Schulhauses
fiel
vielleicht
auch
deshalb
so
großzügig
aus,
weil
man
es
dem
Bezirksamt
"zeigen"
wollte,
oder,
wie
man
in
Bayern
sagt:
"Wer
ko,
der
ko"!
Das
Bezirksamt
hatte
nämlich
am
30.
Juli
1870
eine
amtliche
Mitteilung
folgenden
Inhalts
nach
Ottering
geschickt,
welches
die
Bürger
offenbar
sehr
erzürnte.
In
dem
Schreiben
hieß
es:
"Der
Schulsprengelverwaltung
ist
zu
eröffnen,
dass
ihr
bei
dem
offenbar
mangelnden
Sinn,
Verständnis
und
guten
Willen
für
Schulinteressen
wenig
Hoffnung
auf
Zuschüsse
aus
dem
Kreisfonds
besteht".
Mitglieder
der
Schulsprengelverwaltung
waren
damals:
Georg
Moosburger,
Michl Wiesbeck, Sebastian Niebauer, 1880 dann: Reithmeier, Sigl, Nißlbeck, Hien, Englbrecht.
Die
rustikale
innere
Ausstattung
der
Schule
erhielt
sich
im
Grunde
noch
bis
1960:
In
den
Klassenzimmern
standen
noch
die
ursprünglich
vom
Schreiner
angefertigten
Schulbänke,
in
welchen
je
nach
Bedarf
4,
6
oder
noch
mehr
Schüler
Platz
hatten.
So
konnte
man
den
wechselnden
Platzbedarf,
aufgeteilt
in
zwei
Klassen,
leicht
regeln.
Vorne
war
die
Schultafel
auf
einem
Dreieckgestell.
Wenn
man
fest
mit
der
Kreide
beim
Tafelschreiben
andrückte,
fiel
diese
prompt
um,
sehr
zur
Freude
der
ganzen
Klasse!
Zentraler
Punkt
war,
etwas
erhöht,
der
Katheder,
von
dem
man
annehmen
hätte
können,
dass
ihn
einstens
die
Römer
bei
ihrem
Abzug
dagelassen
haben.
Wer
im
Winter
nahe
am
eisernen
Ofen
saß,
schwitzte
beständig.
Dabei
war
das
Nachheizen
eine
ehrenvolle
Aufgabe
für
ausgewählte
Schüler,
es
wurde
dabei
viel
Geräusch
verursacht
und
im
Zeitlupentempo
gearbeitet,
eine
erfreuliche
Zwangspause.
Im
Hauseingang
war
noch
nach
dem
Krieg
ein
Gestell,
wo
die
Holzschuhe
im
Winter
abgelagert
wurden,
im
Sommer kamen die Schüler sowieso barfuss zur Schule.
Innerhalb
von
nur
40
Jahren
errichtete
die
Ortsgemeinde
Ottering
so
inmitten
des
Dorfes
unter
bewundernswertem
Opfermut
mit
dem
Neubau
von
Kirche,
Pfarrhaus,
Pfarrwirtschaftsgebäuden
und
Schulhaus
ein
Ensemble,
das
dem
Dorf
rund
150
Jahre
sein
Gepräge
gab,
mit
einer
Großzügigkeit
und
Einmaligkeit,
wie
man
es
selten
in
kleineren
niederbayerischen Dörfern sehen kann.
Es
verging
über
ein
Jahrhundert,
bis
eine
neue
Zeit
über
Ottering
kam
und
sich
vermeintlich
modernere
Gesinnungen
durchsetzten:
Während
man
in
anderen
Dörfern
schon
wieder
tatkräftig
an
das
Bewahren
des
ererbten
Kulturgutes
dachte,
wurde
in
Ottering
in
den
80er
Jahren,
angetrieben
von
wenigen
ebenso
kurzsichtigen
wie
geistesarmen
Wortführern,
als
erstes
der
denkmalgeschützte
Pfarrhof
mit
seinen
Nebengebäuden
dem
Erdboden
gleichgemacht,
er
musste,
wie
damals
sogar
der
Bayer.
Rundfunk
mit
großem
Erstaunen
berichtete
„Parkplätzen
weichen".
Seitdem
klafft
in
der
Mitte
des
Dorfes
gleichsam
ein
Loch,
wo
sich
früher
das
Zentrum
des Gemeinwesens befand. Jetzt folgte dem auch das alte Schulhaus nach.
Jedes
Haus
birgt
vielerlei
Erinnerungen,
umso
mehr
ein
Schulhaus,
in
dem
nahezu
100
Otteringer
Geburtsjährgänge
ihre
Bildung
genossen
haben.
Naturgemäß
werden
im
Rückblick
unangenehme
Erlebnisse,
die
es
sicherlich
in
der
Schule
gab,
verdrängt,
die
früheren
Schüler,
heute
alles
selbst
schon
ältere
Leute,
berichten
heute
mit
Freude
von
ihrer
Schulzeit.
Freilich
stehen
dabei
oft
mehr
die
Dinge
am
Rande
des
Schulbetriebes
im
Mittelpunkt,
z.B.
die
Erinnerung
an
den
vom
Schulbetrieb
nicht
wegzudenkenden
"Tatzenstecken“,
der
nahezu
täglich
im
Einsalz
war
oder
an
die
besonders
schönen
Schulstunden,
wenn
der
Lehrer
zur
Beerdigung
oder
Hochzeit
in
die
Kirche
wegmusste.
Je
nach
Lust
und
Laune
der
Lehrkraft
fiel
die
mehr
oder
minder
lange
Pause
aus:
"Um
10
Uhr
haben
wir
eine
Viertelstunde
Pause,
da
dürfen
wir
immer
eine
halbe
Stunde
herumlaufen",
hieß
es
damals
aus
Kindermund.
Brave
Buben
hatten
vor
dem
ersten
Weltkrieg
in
Ottering
noch
das
besondere
und
hochwillkommene
Vorrecht,
das
Mittagläuten
in
der
Kirche
zu
erledigen,
denn
der
Lehrer
war
damals
auch
noch
Mesner.
Die
Schüler
hüteten
sich,
zuhause
zu
erzählen,
wenn
es
in
der
Schule
eine
Watsche
gehagelt
oder
gar
Arschprügel
gegeben
hatte,
denn
dann
konnte
es
passieren,
dass
der
Vater
sagte,
der
Lehrer
hat Recht und er gleich noch eine draufsetzte.
Erinnert
werden
soll
auch
an
die
Personen,
die
in
diesem
Schulhaus
lehrend
und
erziehend
tätig
waren,
also
die
Lehrer
und
Lehrerinnen
und
ebenso
die
Pfarrer
in
ihrer
damals
noch
besonders
wichtigen Eigenschaft als Religionslehrer.
Als
Pfarrer
wirkten
in
diesem
Schulhaus:
Pfarrer
Jakob
Pirner
bis
1878,
Pfarrer
Wilhelm
Steindl
bis
1887,
Pfarrer
Josef
Hegelein
bis
1899,
Pfarrer
Michael
Lohrer
bis
1912,
Pfarrer
Ludwig
Käufl
bis
1918,
Pfarrer
Alois
Maria
Obermeier
bis
1928,
Pfarrer
Johann
Baptist
Brandl
bis
1930,
Pfarrer
Mathias
Schindlbeck
bis
1949,
Pfarrer
Otto
Rauscher
bis
1950,
zuletzt
noch
Bischöflich-
Geistlicher Rat Pfarrer Michael Fischer.
Folgende
Lehrkräfte
(soweit
bekannt)
waren
in
dem
Schulhaus
tätig:
Lehrer
Denk,
Haberkorn,
Josef
Fischer,
Höpfl,
Hilmer,
Lehrerin
Maria
Lettl,
Mathilde
Köllnberger,
Centa
Eglhuber,
Lehrer
Josef
Eggersdorfer,
Max
Winschiegl,
Hauptlehrerin
Therese
Petschko-Hupfauer.
Während
und
nach
dem
Krieg:
Lehrer
Steinmeier,
Frau
Straßburger,
Lehrer
Max
Götz
(hernach
Rektor
in
Reisbach),
Lehrerin
Gisela
Krämling,
Hauptlehrer
Anton
Krämling,
Lehrerin
Emma
Reil,
Gabriele
Sturm,
Herta
Brozek,
Rosa
Zellner,
Georg
Behnke,
Otto
Altendorfer
und
verschiedene
Junglehrer.
Hier
sind
zwei
Namen
besonders
hervorzuheben:
Der
Oberlehrer
Josef
Grätzer,
geb.
1844,
gest.
1921.
Er
war
nebenbei
Mesner,
Organist,
Gründer
der
Otteringer
Feuerwehr,
Feuerwehrkommandant,
Kreisbrandmeister
und
Initiator
zur
Errichtung
des
Kriegerdenkmales
im
Jahre
1921,
sowie
der
Lehrer
Anton
Pritzl
geb.
1823,
gest.
1879.
Dieser
hat
sich
in
besonderer
Weise
um
die
Ortsgemeinde
verdient
gemacht.
Daher
wurde
bei
seinem
Ableben
von
den
Bürgern
an
der
Pfarrkirche
ein
Gedenkstein
angebracht.
Bei
der
Außenrenovierung
der
Pfarrkirche 1990 wurde auch dieses Denkmal von Verantwortlichen rücksichtslos zerstört.
Zwischenzeitlich
ist,
wie
von
den
Gemeinderäten
gewünscht,
das
alte
Otteringer
Schulhaus
verschwunden,
weil
man
in
Ottering
partout
keine
Verwendung
mehr
dafür
sehen
wollte,
im
Gegensatz
übrigens
zu
sämtlichen
anderen
alten
Schulhäusern
der
Großgemeinde
Moosthenning,
die
man
zumindest
erhalten
und
anderweitig
verwenden
konnte.
Zentral
im
Ortsbild
klafft
nun
ein
weiteres
Loch,
aber
den
Gemeinderäten
und
einigen
-
nicht
allen!-
Otteringern scheint es zu gefallen.
Wie
baufällig
das
angeblich
marode
Gebäude
wirklich
war,
stellte
sich
dann
beim
Abbruch
heraus,
als
man
große
Schwierigkeiten
hatte,
das
bestens
erhaltene
und
trockene,
dicke
Gemäuer
mit
dem
massiven
Dachstuhl
zu
beseitigen.
Ein
Otteringer,
ausgewiesener
Baufachmann,
konnte
dann
auch
während
der
laufenden
Arbeiten
nicht
umhin,
zu
bestätigen,
dass
man
in
dem
Dorf
wohl
suchen
müsse,
um
ein
Gebäude
mit
einer
solchen
guten
Bausubstanz
zu
finden.
Es
kann
getrost
angenommen
werden,
dass
das
alte
Schulhaus
in
Ottering
noch
gestanden
hätte,
wenn
sämtliche
neumodischen
und
gesichtslosen
Gebäude
der
heutigen Zeit schon längst wieder abgerissen sind.
Zumindest
zwei
Sachen
sind
sicher:
Zum
einen
dürfte
nach
dem
zweimaligem
Abbruch
historischer
Gebäude
zugunsten
von
Abstellplätzen
das
anscheinend
sehr
drängende
Parkplatzproblem
im
kleinen
Dorfe
Ottering
nunmehr
auf
Jahrhunderte
hinaus
gedeckt
sein.
Zum
anderen
gibt
es
nun
in
Ottering
keine
gleichwertigen
historischen
Gebäude
mehr,
so
dass
in
Zukunft auch nichts mehr abgerissen werden kann.
Ein
besonderer
Anachronismus
ist
übrigens,
dies
zum
Schluss,
dass
das
Landjugendheim,
bisher
untergebracht
in
dem
alten
Schulgebäude,
jetzt
in
den
Keller
(!)
des
früheren
Raiffeisenlagerhauses,
ein
gesichtsloser
Beton-
und
Plattenbau
aus
den
siebziger
Jahren,
verlegt
worden
ist.
Allein
der
hierfür
erforderliche
finanzielle
Aufwand
überstieg
die
notwendigen
Kosten für eine Sanierung des alten Schulhauses deutlich.